Um diese Webseite zu verbessern und zu analysieren. Mehr Informationen dazu finden Sie in unserer Datenschutzerklärung oder unter Einstellungen. Dort können Sie der Verwendung der Cookies auch widersprechen.
Immer mehr Unternehmen bieten Weiterbildungs-, Fortbildungs- und Mentoringprogramme für ihre Mitarbeitenden an. Forschungsergebnisse zeigen allerdings, dass Vorteile für Mitarbeitende und Unternehmen nur dann entstehen, wenn diese Programme obligatorisch sind.
Das US-amerikanische Fachmagazin „Harvard Business Review“ hat sich in der aktuellen Ausgabe (September-Oktober 2022) unter dem Titel „Why Your Mentoring Program Should Be Mandatory“ mit sogenannten Mentoringprogrammen befasst. Mentoring bezeichnet als ein Personalentwicklungsinstrument in Unternehmen die Tätigkeit einer erfahrenen Person (Mentor). Sie gibt ihr fachliches Wissen oder ihre Erfahrungen an eine noch unerfahrenere Person (Mentee oder Protegé) weiter. Damit ist das Mentoring eine Form der unternehmensinternen Fort- und Weiterbildung.
Nun zeigt eine Studie mit 603 neu eingestellte Vertriebsmitarbeitern eines US-amerikanischen Inbound-Callcenters, auf die sich das „Harvard Business Review“ bezieht: „Im ersten Teil der Studie wurden 110 zufällig ausgewählte Vertriebsmitarbeiter einem obligatorischen vierwöchigen Mentorenprogramm zugewiesen, das aus strukturierten Diskussionen mit ihren Mentoren bestand, in denen sie ihre Antworten auf standardisierte Fragen mitteilten und Feedback erhielten. In den ersten zwei Monaten ihrer Tätigkeit erzielten sie im Durchschnitt 19 Prozent mehr Tagesumsatz als 171 Mitarbeitende ohne Mentor, und dieser Anstieg war dauerhaft: Mehr als 90 Prozent der Umsatzsteigerungen blieben über sechs Monate erhalten. Außerdem war die Wahrscheinlichkeit, dass die betreuten Mitarbeitenden mindestens einen Monat im Unternehmen blieben, um 14 Prozent höher – ein erheblicher Gewinn, wenn man bedenkt, dass die Fluktuation bei neu eingestellten Mitarbeitenden im Vertrieb notorisch hoch ist.“
Das „Harvard Business Review“ fasst also zusammen: „Mehr als 70 Prozent der Fortune-500-Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern irgendeine Form von Mentoring an, in der Hoffnung, damit unter anderem die Leistung zu steigern und die Mitarbeitendenbindung zu fördern. Allerdings gab es bisher kaum konkrete Beweise dafür, dass die Unternehmen von diesen Vorteilen profitieren. Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass Mentorenprogramme tatsächlich wertvolle Vorteile für Mitarbeiter und Unternehmen bringen können – allerdings nur, wenn sie obligatorisch sind. Denn wenn Mentoring freiwillig ist, neigen die Menschen, die es am dringendsten brauchen, dazu, die Gelegenheit abzulehnen.“
Das lässt sich gut auf die allgemeine Praxis der unternehmensinternen Fort- und Weiterbildung übertragen. Auf der einen Seite müssen Unternehmen sicherstellen, dass die Mitarbeiter:innen die gesetzlichen Pflichten erfüllen, beispielsweise im Bereich Compliance, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Auf der anderen Seite stehen die Themen im Fokus, die Unternehmen mit dem Anspruch einer „Modern Company“ besetzen sollten. Dazu gehören vor allem zukunftsorientierte Fragestellungen rund um Awareness, Cyber-Sicherheit, Kommunikation, Nachhaltigkeit, Cross-Cultural Management und Diversity. Ohne hohe Kompetenz in diesen Bereichen können Unternehmen nicht erfolgreich arbeiten, und die Mitarbeiter:innen erwarten ohnehin, sich in diesen Sektoren gezielt fortbilden zu können.
Dabei stellt sich die Frage: Sollten Unternehmen ihre Weiterbildungs- und Fortbildungsprogramme für ihre Mitarbeitenden zur Pflicht machen oder auf freiwilliger Basis anbieten? Für verpflichtendes Lernen im Unternehmen kann man, neben einigen anderen Argumenten, die Ergebnisse der US-Studie heranziehen. Wenn verpflichtende Mentoringprogramme leistungssteigernd auf die Mitarbeitenden wirken, kann das für themenbezogene Weiterbildungs- und Fortbildungsprogramme ebenfalls gelten. Wissens- und Informationsvorsprünge helfen Mitarbeitenden und demnach auch Unternehmen, sich aktuellen und künftigen Herausforderungen zu stellen und darauf professionell zu reagieren.
Das gilt natürlich vor allem für die Lernprogramme, für die keine rechtliche Verpflichtung besteht. Denn Pflichtschulungen gehören zum Unternehmensalltag. Sie sind gesetzlich vorgeschrieben und müssen regelmäßig durchgeführt werden. Typische Themen sind Arbeitsschutz, Notfallschulungen, Gesundheits- und Datenschutz. Aber was ist mit Themen wie Diversity Management, Nachhaltigkeit, Change Management, Cyber-Sicherheit, Kommunikation und mehr? Diese unterliegen keiner rechtlichen Verbindlichkeit, sind aber dafür geeignet, die Mitarbeitenden und damit ein Unternehmen gezielt weiterzuentwickeln. So plant beispielsweise eine große deutsche Universität, Diversity Management als Pflichtschulung für alle neuen Studierenden und Mitarbeitenden einzuführen und sogar einen Credit Point (Leistungspunkt nach dem European Credit Transfer System) dafür zu geben.
Auf der anderen Seite sprechen die ohnehin hohen betrieblichen Herausforderungen dagegen, Weiterbildungs-, Fortbildungs- und Mentoringprogramme zur Pflicht zu machen.
Für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland gehören Überstunden zum Arbeitsalltag: Durchschnittlich 4,5 Millionen von ihnen haben im Jahr 2021 mehr gearbeitet, als in ihrem Arbeitsvertrag vereinbart. 2021 machten die Arbeitnehmenden in Deutschland rund 818 Millionen bezahlte und 893 Millionen unbezahlte Überstunden. Diese Anzahl und damit die Mehrbelastung könnte sich durch die Pflicht zum Lernen im Unternehmen noch erhöhen.
Unternehmen sollten also darüber nachdenken, ob und welche Lernprogramme sie – über die rechtlich geregelten Pflichtunterweisungen hinaus – für die Mitarbeitenden obligatorisch machen. Dieses Pro und Contra gilt es abzuwägen, um den Mitarbeitenden die Informationen und Kompetenzen gezielt zu vermitteln und die Leistungsfähigkeit damit zu steigern.
Sie planen eine digitale Lernkampagne mit hochwertigen digitalen Inhalten? Wir unterstützen Sie dabei ein einzigartiges Trainingserlebnis zu erzeugen.
Uwe Röniger
CEO mybreev